Virtual Reality ICOs: Investieren in VR Projekte für Jedermann?

Seitdem Kickstarter-Kampagnen nur noch selten VR-Ideen zum Erfolg verhalfen, mussten Entwickler neue Wege für die Finanzierung ihrer Projekte finden. Ein Funding von Oculus oder HTC kam vielen kleineren Indie-Studios zu Gute, doch der Topf ist auch bei diesen Unternehmen begrenzt und die Anzahl an willigen Entwicklern, die sofort jeden Vertrag blind unterschreiben würden, ist augenscheinlich ziemlich hoch. An diesem Punkt kommen ICOs ins Spiel, wie das Beispiel von Decentraland zeigt.

ICOs: Der neue Trend der Finanzwelt

Während Virtual Reality seit 2012 seinen erneuten Siegeszug angetreten hat, mauserte sich auch eine andere Idee zu einem lukrativen Geschäft. Neben Bitcoin etablierten sich zahlreiche Kryptowährungen, welche über sogenannte ICOs (Initial Coin Offerings) ins Leben gerufen wurden und einen anfänglichen Wert zugewiesen bekamen. Heute sind ICOs der neue Trend der Finanzwelt, da man bei einem Kauf von Token und Coins – vor dem Handel an den Börsen – satte Gewinne einfahren kann. Eine Verdopplung des Wertes lässt sich bei fast allen gehypten Projekten verzeichnen. Selbst dann, wenn das Projekt eventuell nie realisiert wird und der Wert des Tokens fällt, sobald der Hype sich legt und das wacklige Fundament sichtbar wird.

Doch ICOs bringen nicht nur den Investoren tolle Gewinne. Unternehmen können über den Verkauf der Token in Sekunden mehrere Millionen US-Dollar einsammeln, denn die bisherigen Wertsteigerungen nach erfolgreichen ICOs weckten die Gier in uns Menschen. Mittlerweile gibt es ICOs zu jeder herkömmlichen Buisness-Idee, mit dem Unterschied, dass diese von einem eigenen Token getragen wird, der an speziellen Börsen gehandelt werden kann. Natürlich war es deshalb auch nur eine Frage der Zeit, bis Kryptowährungen auch genutzt werden, um Virtual-Reality-Projekten einen Kickstart zu geben. Doch wie sinnvoll ist ein Investment in solche Projekte?

Decentraland, Looq, NEVERDIE und Co.

In diesem Jahr gab es drei interessante VR-Projekte, die die Aufmerksamkeit einiger Menschen auf sich gezogen hatten. Decentraland möchte eine Welt erschaffen, in der Menschen mit Token ihr Land und virtuelle Güter kaufen und verkaufen. NEVERDIE will den Verkauf und Kauf von virtuellen Gegenständen vereinfachen und Looq hat sich bereits selbst erledigt. Am interessantesten ist wohl die Idee von Decentraland, doch wie realistisch ist die Zukunft, die das Unternehmen aufzeichnet?

Decentraland konnte innerhalb von 35 Sekunden Ethereum im Wert von 24 Millionen US-Dollar einsammeln. Nicht ohne Grund: Decentraland verspricht eine verheißungsvolle neue Welt, quasi ein dezentralisiertes Second Live in VR. Wobei theoretisch auch ein Zugang über den Browser möglich sein soll, was aber nicht der Kern des Projektes ist. Es geht viel mehr darum, die immersiven Möglichkeiten durch VR zu nutzen, um von Menschen etwas Neues errichten zu lassen. Ohne Grenzen und Regierungen. Doch ist bei einem solchen Projekt eine Dezentralisierung der beste Weg? Oder öffnet sie Tür und Tor für weitere Scam-Attacken, die bereits vielen aktuellen Krypto-Anlegern den Spaß am traden verdorben haben? Genaue diesen Aspekt empfinde ich persönlich als extrem spannend, denn wir könnten hier vielleicht bald beobachten, wie sich eine virtuelle Gesellschaft etabliert und wie Regelungen getroffen und Probleme überwunden werden. Doch wird der User bei diesem großen Projekt außer Acht gelassen?

In der Nische für die Nische

Virtual Reality ist eine beeindruckende Technologie und auch wenn sie noch nicht in jedem Haushalt angekommen ist, so wird sie uns dennoch einige Zeit erhalten bleiben. Was aber bei vielen VR-Spielen und Anwendungen ein Problem ist, sind die fehlenden Nutzer. Bisher können sich nur Ausnahmeprojekte mit regelmäßigen Spielern auf ihrer Plattform brüsten, denn es gibt einfach unzählig viele Anwendungen und eine verhältnismäßig kleine Zielgruppe. Bei Kryptowährungen ist dies ähnlich, denn auch wenn hier mit Geld um sich geworfen wird – die wenigsten Menschen besitzen tatsächlich solche Währungen.

Somit wird die kleine Anzahl an VR-Nutzern noch weiter unterteilt und wir blicken auf eine vermutlich verschwindend kleine Zielgruppe die:

  1. Für digitale Güter „echtes Geld“ bezahlt
  2. Virtual-Reality-Systeme besitzt (wenn auch nicht zwingend erforderlich)
  3. Mit Kryptowährungen handelt, welche extrem volatil sind

Und genau an diesem Punkt sehe ich eine Gefahr für das Projekt. Werden Menschen die Welt tatsächlich nutzen, oder bleibt Decentraland ein wilder Traum der Entwickler? Virtual Reality an den Mann oder die Frau zu bringen ist kein einfaches Business und es gibt sicherlich unzählige Projekte, die vielversprechender sind.

VR + Blockchain = schlechtes Investment?

Vielleicht. Vermutlich nicht. Ich bin kein Finanzberater. Decentraland konnte einen tollen Hype aufbauen und das Projekt war in aller Munde. Da die Finanzierung in Windeseile abgeschlossen wurde, kann man davon ausgehen, dass der Kurs zunächst ansteigen wird (wenn auch nicht direkt zur Markteinführung auf Bittrex und Co.). Denn es wollen noch viele Menschen den Token kaufen, welche jedoch im ICO zu langsam waren.

Ob es sich hierbei aber um einen Token handelt, den man längerfristig halten wird, hängt nicht nur vom Erfolg der Entwickler und der Krypto-Gemeinde ab, sondern auch von dem Erfolg von VR in den Wohnzimmern und nicht in Arcades. Viele Faktoren, die man nicht außer Acht lassen sollte, wenn man sich auf das Abenteuer einlassen will. Immerhin passen VR und Krypto aktuell hervorragend zusammen, denn sie teilen sich das Leid, dass beide Technologien noch auf ihre Adaption in der gesellschaftlichen Mitte warten.

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Kommentar: Virtual Reality auf dem Weg in die Sackgasse

Nach der Kickstarter-Kampagne von Oculus im Jahr 2012 war für viele Menschen klar: Virtual Reality kommt zurück und die Technologie wird nicht wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwinden. Vergleiche zu anderen Hypes in der Elektronikwelt werden konsequent abgelehnt, weil viele große Unternehmen viel Kapital in die Entwicklung stecken und neue Märkte erschließen. Doch führt dieser Umstand wirklich zu einer tiefen Marktdurchdringung bei den Konsumenten, obwohl die Technik auch heute eventuell noch nicht ausreicht, um die großartigen Versprechungen zu erfüllen?

Virtual Reality: Die Technik ist noch nicht reif

Die aktuellen Virtual-Reality-Brillen von Sony, HTC und Oculus sind den VR-Brillen aus den 90er Jahren um Einiges voraus. Die Displays haben sich verbessert, der Formfaktor ist besser und der Nutzer kann sich jetzt auch ein paar Meter in der virtuellen Welt „frei“ bewegen. Doch auch wenn die aktuelle Erfahrung bereits für offene Münder beim ersten Vorführen sorgt, so nutzt sich der VR-Effekt doch ziemlich schnell ab. Wenn sich der Euphorienebel legt, dann kommen die Unzulänglichkeiten an Tageslicht und nagen an den Nerven der Anwender. Denn die Wirklichkeit ist, dass die VR-Brillen auch im Jahr 2017 den Nutzer noch extrem einschränken und mit technischen Hürden gängeln. So müssen Sensoren aufgestellt und Spielfelder angelegt werden, die Auflösung verhindert die Lesbarkeit von kleineren Texten und die Darstellung fordert so viel Rechenleistung, dass die virtuellen Welten derzeit nicht mit einer möglichst realistischen Grafik dargestellt werden können. Kein Problem für echte Nerds? Logisch. Doch eventuell ein Problem für einen echten Massenmarkt. VR-Brillen sind aktuell keine Entlastung für den Anwender, sondern eine zusätzliche Belastung. Deshalb werden VR-Brillen auch in naher Zukunft nicht die Gesellschaft verändern werden.

Google Trend

Google Trend: Virtual Reality

Wenn sich Virtual Reality durchsetzen will, dann dürfen sich die Hersteller nicht auf der aktuellen Generation ausruhen und den Markt beobachten. Doch die Innovationswut scheint abzunehmen und die derzeitige Generation wird zwar bald um die Windows-Mixed-Reality-Brillen ergänzt, aber eine neue Generation wird wohl in diesem Jahr nicht mehr eingeläutet.

Ein schönes Beispiel für den technischen Stillstand sind die stetigen Neuauflagen der Gear VR, bei welcher seit Jahren nur minimale Anpassungen vorgenommen werden. Da hilft auch die Veröffentlichung eines Wii-ähnlichen Controllers nichts. Nicht dass die Gear VR schlecht wäre, ganz im Gegenteil, aber etwas mehr Mut hätte Samsung nicht schlecht gestanden. Besonders wenn man bedenkt, dass das aktuelle Interesse an VR von Enthusiasten getrieben wird, welche nicht auf jeden Euro beim Kauf eines neuen Spielzeuges achten.

Doch der Schuldige für die VR-Flaute ist schon gefunden: Hardware-Hersteller sagen öffentlich, dass der Content nun wichtiger sei als neue Headsets. Doch ist das wirklich so? Schränkt nicht die aktuelle Hardware die Möglichkeiten so stark ein, dass Spielspaß über einige hundert Stunden ein unerreichbares Ziel für Entwickler ist? Bei vielen VR-Spielen wird man das Gefühl nicht los, dass gerade mehr Workarounds als Inhalte präsentiert werden. Zudem berichteten uns auf der gamescom einige Entwickler, welche bereits realtiv gut laufenden VR-Spiele entwickelt haben, dass ihre nächsten Projekte wieder Spiele für den Monitor werden. Sicherlich auch eine finanzielle Entscheidung aufgrund der geringen Verbreitung der Brillen. Ein Resultat aus nicht vollends überzeugender Hardware, Software und eines zu hohen Preises. Waren die Enthusiasten wieder der Zeit vorraus und bald steht eine neue VR-Eiszeit an?

Die Flucht in die VR Arcades

CtrlV Arcade

Nachdem die Industrie VR unbedingt in die Haushalte bringen wollte, kam durch HTC und einige private Investoren die Kehrtwende. Die große Zukunft von VR sei nicht nur in den privaten Haushalten zu finden, sondern auch oder gerade besonders in Arcades. Richtig: Das sind die Spielhallen mit den Automaten die Kinder aus den 80iger Jahren meistens nur aus Urlauben kennen. Neben der zeitweise verschwundenen VR-Technik aus den 90ern sollen nun also auch solche Einrichtungen eine zweite Chance erhalten. Dabei ist zweite Chance wohl eher auf den westlichen Teil der Welt bezogen, denn in weiten Teilen Asiens spielten Arcades und PC-Bangs immer eine wichtige Rolle.

In Deutschland können wir aber dennoch von einem Comeback dieser Einrichtungen sprechen. Beim aktuellen Trend zu Retro-Spielen könnte auch ein Besuch von Arcades für Nicht-VR-Nerds hip werden. Doch wird dieser Trend länger anhalten? Die Möglichkeiten durch die Virtual-Reality-Technologie sind in Arcades deutlich größer. Wer bereits ein Spiel gespielt hat, welches durch haptische Elemente erweitert wird oder in einem Simulator mit VR-Brille saß, der will nicht wieder zurück an den heimischen PC, an dem aktuell nur Augen und Ohren in eine andere Welt entführt werden. Ist die Arcade-Halle beziehungsweise ein Event-Charakter also die Zukunft? Durchaus denkbar. Ist dieser Weg doch eher eine Sackgasse? Ebenfalls nicht auszuschließen. Denn wenn die Hauptanwendung innerhalb solcher Einrichtung stattfindet, werden sehr viele Hersteller die Entwicklung von neuen Produkten hinten anstellen, denn diese wollen in die Haushalte. Somit könnte eine Verlangsamung der Entwicklungen einsetzen, die die Verfügbarkeit von VR-Brillen mit Sonnenbrillenformfaktor in noch weitere Ferne rückt. Die Frage aktuell ist, ob Preis, Qualität und Inhalte in Einklang gebracht werden können, bevor das Interesse der potentiellen Zielgruppe wieder gegen Null geht.

Anders heißt nicht schlechter

htc-vive-daydream-headset

Doch auch wenn Virtual Reality aktuell noch zu keinem Massenphänomen geworden ist, heißt das nicht, dass tatsächlich VR wieder komplett verschwinden wird. Ohne die damaligen Arcades wären die Heimkonsolen vielleicht nie erschienen. Doch eventuell werden Virtual-Reality-Brillen in wenigen Jahren komplett anders aussehen und ein deutlich eigenständigeres Produkt werden. Die Veröffentlichung von autarken VR-Brillen durch HTC und Lenovo sind ein erster Schritt in diese Richtung. Eine überzeugenende Verbindung aus VR- und MR-Brille scheint auch nicht in allzuweiter Ferne zu liegen, denn die Verdeckung der Welt gelingt bereits der HoloLens von Microsoft in dunklen Räumen erstaunlich gut. Eine VR/AR-Brille, die autark funktioniert und für High-End-Inhalte mit dem PC verbunden werden kann, würde sicherlich den Geldbeutel bei einigen Kunden etwas lockerer sitzen lassen.

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VR-Nerds Insights: Tower Tag Game Design

VR-Nerds Insights

Mit diesem Artikel eröffnen wir bei uns eine neue Blog-Serie. Wie der Name bereits vermuten lässt, geht es dabei um Einblicke in unsere Arbeit abseits der Redaktion. Denn tatsächlich besteht unser Zusammenschluss aus VR-Nerds nicht nur aus den fleißigen Bienchen, die euch täglich neuen Lesestoff und Video Content servieren, sondern auch aus einem Team, das selbst täglich daran arbeitet VR und AR Erlebnisse zu erschaffen. Neben Kundenaufträgen arbeiten wir dort auch an ganz eigenen VR-Spielen und Prototypen.

Neben unserem Kunst-Erkundungs-Spiel “Lucid Trips” und dem Starshop-Troppers inspirierten “Debugging”  arbeiten wir nun schon seit längerer Zeit an dem Arcade und vSports PvP-Titel “Tower Tag”. In diesem Beitrag möchten wir euch nun unsere Gedanken und Entscheidungen zur Entstehung der Spielidee von Tower Tag mit euch teilen.

VR Arcade Laser Shooter

Tower Tag – Fehler vermeiden

Doch bevor wir ins Detail eintauchen sollten wir die Frage klären, warum wir das Ganze überhaupt machen. Gibt es nicht schon genug PvP-Shooter in VR? Die Antwort ist “Nein”. Zumindest für uns gibt es bisher keinen VR-PvP-Shooter, den wir gerne und immer wieder spielen wollen. Klar gibt es auf dem Markt gute Produkte wie zum Beispiel Rec Room Paintball, oder das bei vielen Hardcore VR Fans sehr beliebte Onward, trotzdem haben auch diese erfolgreichen Konzepte gewissen Hürden, die uns davon abhalten uns regelmäßig ins Gefecht zu stürzen. Um genau herauszufinden was die Störfaktoren sind, haben wir viele Wave-Shooter und PvP-VR-Games analysiert und sind auf folgende Erkenntnisse gekommen:

1. Teleportieren nervt (Beispiel Rec Room). Dass einen das gewöhnliche Teleportieren aus der Immersion und dem Spielfluss herausholt, ist schon lange Konsens. Was daran aber tatsächlich nervt ist, dass man sich nach jedem Teleport neu in seinem Spielbereich zurechtfinden muss. Das Neuausrichten und Positionieren nach der Teleportation gleicht oft einem Geschicklichkeitsspiel, was wenig Spaß macht, wenn es nur darum geht sicherzustellen, dass man nicht direkt auf die nächste Wand schaut.

2. Zu viele Buttons verderben den Brei. Wir haben für uns herausgefunden, dass wir durch zu komplexe Buttonbelegungen immer wieder aus dem Flow gebracht worden sind. Selbst das Nachladen der Waffe kann schnell zu einer lästigen Angelegenheit werden.

3. Realism isn’t King. Auch wenn Shooter wie Onward viele Fans haben, gerade weil sie so realistisch gestaltet sind, haben wir herausgefunden, dass zu viel Realismus Probleme aufwirft, die insbesondere VR-Neulinge abschrecken können. Das Zielen über Kimme und Korn zu Beispiel funktioniert in VR einfach nicht so gut wie in echt und kann schnell in Frustration enden.

4. Kniebeugen sind anstrengend. Das erfolgreiche Ausweichen von Schüssen macht sehr viel Spaß. Allerdings sind einige Bewegungen anstrengender als andere. Zu viele Kniebeugen zum Beispiel können einem schnell den Spaß verderben.

5. Bunter Pixelbrei macht unglücklich. Wer Hover Junkers gespielt hat, der hat sich wahrscheinlich auch öfters mal die Frage gestellt, ob man den Gegner denn nun getroffen hat oder nicht. Denn viele wichtige Details wie Trefferfeedback, oder selbst der Körper des Gegners gehen bei zu bunt gestalteten Spielen oft in der leider noch recht groben Auflösung der Virtual-Reality-Displays unter. Diese Ungewissheit verdirbt vielen Spielern den Spaß.

Unsere Vison eines PvP-VR-Arcade-Shooters

Rucksack PC mit Tower Tag VR Shooter

Nun wussten wir also um die kleinen und großen Störfaktoren, die zumindest bei uns den Spielfluss und Spielspaß beeinträchtigen können und konnten uns fortan um die Ausarbeitung unser eigenen Spielidee kümmern. Wir versuchten also Mechaniken die bereits gut in VR funktionieren und Spaß machen aufzugreifen, während wir die negativen Dinge entweder ganz wegließen, oder durch neue und alternative Konzepte austauschten. Nach einigen Prototypen und Experimenten sind wir dann zu folgenden Designentscheidungen gekommen:

1. Arcade first. Wir haben uns entschieden unser Spiel so zu entwickeln, dass es vor allem gut für VR-Arcades / VR-Cafes abgestimmt ist. Potentiell funktioniert ein guter Arcade-Titel auch zuhause gut. Komplexere und gute Home-VR-Titel sind wiederum oft nicht Arcade-tauglich. Zudem ist ein PvP-Arcade-Titel unabhängig von der Anzahl der Online Spieler. Ohne große Player Base ist ein PvP Game schnell von der Bildfläche verschwunden. Das passiert leider sehr häufig, da es noch nicht so viel VR Headset Besitzer gibt. In VR-Arcades kommen die Spieler oft in Gruppen, daher gibt es dort dieses Problem nicht. Es machte für uns also mehr Sinn einen Arcade Titel mit einer späteren Home-Version zu machen als anders herum.

2. Eingeschränkter Spielbereich für mehr Freiheit. Um die oben genannte Problematik beim Teleportieren zum umgehen, schränken wir den spielbaren Bereich auf eine 2 x 2 Meter große Fläche ein. Da sich die Dimensionen dieses Spielbereiches nie ändert, kann sich der Spieler voll und ganz auf das Spielgeschehen konzentrieren und wird nicht davon abgelenkt sich nach jedem Teleport neu orientieren/positionieren zu müssen. Der Spieler bekommt eine kleine Zone in der er sich ohne Rücksicht auf das Chaperone-System frei und sicher bewegen kann.

Tower Tag Map, VR Laser Shooter

3. Keine Exploration. Wir gestalten die Virtual Reality Spielumgebung so, dass beim Spieler keinerlei Bedürfnis aufkommt seine Umwelt außerhalb der Plattform zu erkunden. Das wird unter anderem dadurch erreicht, dass die Plattformen in der Luft schweben und es keine interessanten Orte in der Nähe gibt die nicht auch erreichbar wären.

 

4. Drag Jump Locomotion. Für einen PvP Shooter ist es unser Meinung nach unabdingbar, dass die Spieler ihre Position schnell und einfach wechseln können, um u.a. taktische Züge zu tätigen. Bei Tower Tag können die Spieler auf jede nahegelegene Plattform springen. Da die Plattformen alle dieselbe Größe besitzen verändert sich zwar die virtuelle Position des Spieler auf der Map, in der echten Welt bleibt er jedoch in seinem gewohnten und festgelegten Spielbereich. Um einen Sprung zu einer anderen Plattform auszuführen muss der Spieler zunächst mit einer Art Lasso oder Grappling Hook den nächsten Tower erobern. Ist das geschehen, kann sich der Spieler mit einer ruckartigen Ziehbewegung zur nächsten Plattform rüberziehen. Dieses Detail führt dazu, dass sich der virtuelle Sprung zur anderen Plattform im Gegensatz zur herkömmlichen Teleportation nicht nur sehr natürlich anfühlt und richtig Spaß macht sondern auch eine Art Befriedigung verschafft es zur nächsten Plattform geschafft zu haben. Hat ein Spieler bereits mehrere Plattformen für sich erobert kann er zwischen diesen mit hoher Geschwindigkeit wechseln. So entsteht eine spannende Dynamik die auf solche Weise selbst bei einem Ware-House-Scale-Shooter nicht entstehen kann. Motion Sickness ist dabei übrigens gar kein Problem.

 

Custom Gun Controller, Tower Tag5. Laser guns rule. Wie oben beschrieben haben wir evaluiert, dass für unser Vorhaben realistische Waffen aus verschiedenen Gründen keine Option sind. Darum haben wir uns für die typischen retrofuturistischen Laserpistolen a la Star Wars entschieden. Durch die relativ langsam fliegenden Laser-Projektile zielt man in der Regel ähnlich wie beim Paintball über eine Korrektur der Schüsse. Was nicht heißt, dass ein Zielen über Kimme und Korn nicht auch möglich ist. Gleichzeitig ermöglicht dieses weniger reale Schussverhalten dem Beschossenen mit kurzfristigen Ausweichmanövern auf Beschuss zu antworten.

6. Knie schonen. Genau diese Ausweichmanöver sind eine Besonderheit in VR, die besonders viel Spaß machen, wenn sie gelingen. Allerdings kann das ständige Abducken schnell in die Knie gehen. Eine schonende Art sich aus der Schussbahn zu bringen sind seitliche Ausweichbewegungen z.B. hinter einer Säule. Mischt man beide Möglichkeiten der Deckung hat der Körper einen guten Ausgleich der Bewegungen, was zwar nach wie vor sportlich, aber eben nicht eintönig bis schmerzhaft ist.

7. Tower ist King. Aus diesem Grund haben wir auf jeder Plattform ein zentrales Element, welches unter anderem zur Deckung dient. Unser Obelisk, auch “Tower” genannt, kann in alle Richtungen als vertikale Deckung verwendet werden. Zusätzlich bieten zerstör- und wiederaufbaubare Balustraden, die um die Plattform herum positioniert sind, die Möglichkeit auf eine horizontal Deckung.

Tower Tag VR Shooter

8. Farben Formen und Effekte gezielt einsetzten. Wir haben gelernt, dass es in VR durch die noch relative geringe Pixeldichte, schwer ist insbesondere in der Entfernung Details zu erkennen. Stichwort Pixelbrei. Aus dem Grund haben wir uns dazu entschieden die Spielumgebungen, also die Bereiche, die weniger relevant sind, relativ matt und dunkel zu gestalten, während wir spielrelevante Elemente wie z.B. Treffereffekte und Laserprojektiele hell und leuchtet machten. Diese gezielten Kontraste sorgen für weniger Irritation und verringern so das Frustrationspotential.  

9. One Button Mechanik. Treu dem KISS-Prinzip (Keep It Super Simple) folgend haben wir uns dazu entschlossen, dass Tower Tag mit lediglich dem Trigger Button auskommen muss. Statt einer Nachlade funktion haben wir die klassische “Überhitzen” Methode gewählt. Dank dieser extrem simplen Button-Belegung muss sich der Spieler nicht mehr simultan mit der Feinmotorik seiner Finger auseinander setzten und kann seine Aufmerksamkeit voll und ganz dem Spiel widmen und sich auf Aiming, Taktik und das Ausweichen fokussieren.

10. Einfachstes User Interface. Da Tower Tag in erster Instanz für Arcade-Kunden entwickelt wurde, legen wir großen Wert auf eine UI, welche sehr einfach zu bedienen ist und den Spieler schnellstmöglich ins Spiel bringt ohne komplexe Tutorials und Matchmaking Interfaces.

11. vSport Rules. Alle Modi, Spielmechaniken und Abläufe sind stets mit dem strengen Blick auf die vSports-Tauglichkeit entwickelt worden. Einen ehemaligen Paintball Weltmeister im Team zu haben, hat dabei sicherlich viel geholfen.

12. Arcade Haptik Upgrades. Um dem Arcade-Besucher ein noch glaubwürdigeres Erlebnis zu liefern, haben wir Tower Tag von Beginn an mit diversen haptischen Upgrades konzipiert:

a. Haptischer Obelisk. Unser illuminierter Acryl-Glas-Obelisk stimmt millimetergenau mit seinem virtuellen Pendant überein und bietet dem Spieler den “The-Void-Effekt” trotz des recht geringen Spielraums. Der Spieler kann sich im Gefecht an den Tower lehnen und somit die Immersion um ein ganzes Level anheben.  

b. Gun Controller. Wir haben einen eigenen VR-Waffen-Controller entwickelt, der dank eingebauter Elektronik auch ein Energie-Rückstoß glaubhaft simulieren kann, ohne dabei das empfindliche Tracking-System der HTC-Vive durcheinander zubringen. Zusätzlich ist Tower Tag mit anderen VR-Gun-Controllern kompatibel.

c. Haptische Weste. Um Treffer und andere Effekte besser zu transportieren arbeiten wir mit dem Hersteller einer hochwertigen Haptik-Weste zusammen. Das hilft Beschuss von hinten noch schneller zu erkennen.  

Increasing Freedom by decreasing Freedom

Unser Leitsatz bei der Entwicklung von “Tower Tag” war stets: “Increasing Freedom by decreasing Freedom. Es geht also darum, dass wir gelernt haben, dass man in VR nicht alles machen muss was scheinbar möglich ist und man sich stattdessen die Dinge herauspickt und verfeinert, die mit dem Medium schon jetzt harmonieren. Gleichzeitig sollte man nie aufhören neue Dinge auszuprobieren.

Dass unser Plan tatsächlich aufgeht und wir nicht komplett geblendet waren, wurde uns bereits Anfang des Jahres bei der öffentlichen Uraufführung von Tower Tag auf der Cebit 2017 im Februar vom Publikum und der Presse bestätigt. Natürlich ist der Weg zum VR-Arcade-Klassiker für uns als kleines Entwickler-Team und zum weltweiten vSport-Titel noch weit, aber die Zeichen scheinen gut zu stehen und die ersten Meilen sind geschafft. Tower Tag ist als Early Access Titel bereits in einigen Virtual-Reality-Arcades in Benutzung.

Was haltet ihr von unser Vorgehensweise für die Entwicklung eines VR-Arcade-Spiels? Habt ihr Fragen oder selbst Erfahrungen und Ratschläge zu teilen, dann ab in Kommentare damit. Wir wollen euch nun regelmäßig Updates und Einblicke in die Welt der VR-Nerds geben.

Das nächste Mal bei „VR-Nerds-Insights“: Tower Tag goes Tokio.

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Test: Microsoft Motion Controller für Windows 10 Mixed Reality

Auf der IFA hat Microsoft in diesem Jahr die große Bühne genutzt, um seine Mixed Reality Brillen für Windows 10 vorzustellen. Diese kommen von verschiedenen Partnern wie Dell, Acer, Lenovo, HP sowie Asus und setzen jeweils auf die gleiche Hardware, jedoch auf unterschiedliche Formen und Designs. Unseren ersten Eindruck von dem Development Kit von Acer findet ihr hier. Doch auch wenn die Brillen der Partner wie eigenständige Produkte wirken, so teilen sich alle Systeme die gleichen Controller. Microsoft setzt beim Design seiner Motion Controller auf eine Mischung aus HTC Vive Controller und Oculus Touch Controller und möchte damit die VR-Welt erobern. Wir haben die Microsoft Motion Controller intensiv getestet und verraten euch, ob diese mit den Konkurrenzprodukten mithalten können.

Microsoft Motion Controller im Review

Microsoft Motion Controller im Test: Die Verarbeitung

Die Verarbeitung und das Design sind aktuell noch nicht zwangsläufig final, doch wir sollten auch nicht von größeren Änderungen bis zur Veröffentlichung für Konsumenten ausgehen. Die Controller sind derzeit sehr leicht und fühlen sich dadurch nicht besonders wertig an. Zudem musste die aktuelle Version mit einem Kabel verbunden werden, damit das Tracking sauber funktioniert. Dies soll aber an der Messe-Umgebung und der aktuellen Version liegen, denn die Controller verbinden sich über Bluetooth mit der VR-Brille, was wohl derzeit schnell zu Unterbrechungen führt. Während sich HTC auf ein Touchpad und Oculus auf einen Stick bei den Controllern beschränkt, vereint Microsoft beide Welten und bietet sowohl ein Touchpad als auch einen Stick für die Fortbewegung an.

Microsoft Motion Controller im Review

Tracking: Hui mit Einschränkungen

Die Controller werden über die Sensoren/Kameras der VR-Brillen im Raum erfasst. Man muss also keine zusätzlichen Tracker aufstellen. Durch dieses Verfahren können die Controller sehr gut im Sichtbereich der Kameras der VR-Brille arbeiten, doch wenn man mit den Controller beispielsweise hinter seinen Rücken greift, dann bricht das Tracking ab und die internen Sensoren der Controller übernehmen die Arbeit. Dies funktionierte im Test sehr gut und es war nur dann ein minimaler Sprung im Tracking zu sehen, wenn der Controller sehr schnell in das Sichtfeld der Brille gebracht wird.

Microsoft Motion Controller im Review

Die allgemeine Qualität des Trackings war in unserer ersten Demo hervorragend, doch in der zweiten Demo war ein leichtes Zittern der Controller sichtbar. Dies könnte durch Lichteinstrahlungen verursacht worden sein. Möglicherweise war aber auch das Setup bei der zweiten Demo schlicht nicht optimal.

Das VR-Nerds-Fazit

Die Controller von Microsoft verrichten einen guten Job. Sie sind nicht besser als die Controller der Rift oder der HTC Vive, aber sie brauchen sich vor der Konkurrenz auch nicht verstecken. Die Verarbeitung könnte hochwertiger sein, doch einen Fall auf den Boden sollten sie überstehen. Insgesamt liefert Microsoft also einen soliden Controller ab, der die aktuellen Möglichkeiten widerspiegelt.

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VR-Weekly-Spezial: Unsere Highlights auf der Gamescom 2017 im Video

Die Gamescom 2017 in Köln hat ihre Tore geschlossen. Chris und Yigal haben sich ihre VR-Nerds-T-Shirts übergestreift und präsentieren euch in unserem VR-Weekly-Spezial die Highlights von der Spielemesse. Die reichen von der taktilen Weste, die einem Schauer über den Rücken schickt, bis hin zum Mückenstich für Anime-Fans. Auch dabei: AAA-Titel für PSVR, Simulatoren, Wildschweine und eine besondere Maus.

Gamescom 2017 im VR-Weekly-Special: Nerds on the Road

Chris und Yigal waren wieder unterwegs und stellen ihre persönlichen VR-Highlights von der diesjährigen Gamescom in Bewegtvideo und Ton vor. Dabei erklärt Yigal zum Beispiel, warum der AAA-Titel Fallout 4 VR zwar seine Erwartungen nicht erfüllen kann, aber trotzdem ein echtes Highlight ist. Chris ist hingegen auf die Maus gekommen und fragt sich, warum zum Geier das Spiel mit Zelda verglichen wird. Bei der Hardware wird es dann nicht mehr niedlich, sondern schaurig: So fühlt es sich an, wenn einen Zombies rücklings überfallen.

Sie nannten ihn Mücke: Vom Fischhäppchen zur Wildschweinjagd

Angetan hat es Chris und Yigal auch der schwedische Stand, der sich allerdings vor der Öffentlichkeit im Business-Bereich abschottete. Dort durfte man bei Fischhäppchen und Wodka mit einer echten Flinte auf virtuelle Wildschweinjagd gehen. Etwas friedlicher geht es im Auto-Simulator zu. Zum halben Preis eines Neuwagens stellen wir euch ein Zubehör vor, das bei Rennspielfanatikern für feuchte Augen sorgen dürfte. In Bewegung wirkt das Ungetüm etwas skurril, aber wenn niemand zuschaut …

Gamescom 2017 Highlights

Das wahrscheinlich schrägste Highlight geht aber auf das Konto asiatischer Entwickler: Als Stechinsekt greift man Anime-Mädchen an ihren empfindlichsten Stellen an und betätigt sich als erotisierter Blutsauger. Bis einen die Hand der Gerechtigkeit abwatscht. Wir freuen uns jedenfalls schon auf de nächste Gamescom. Und brechen schon bald wieder auf, denn nach der Messe ist vor der Messe: Auf der IFA 2017 in Berlin sehen wir uns wieder. Die öffnet am 1. September ihre Tore.

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VR und AR – Gefahr und Begierde

Jedes neue Medium findet seine Kritiker und beschwört im schlimmsten Fall den Untergang des Abendlandes herauf. Kaum vorstellbar, dass es noch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrtausends Menschen gab, die vor dem schädlichen Einfluss von Büchern warnten: Wer läse, schlage keine Nägel in die Wand und flüchte sich in Fantasiewelten, hieß es beispielsweise. Filme hingegen ersetzen die eigene Vorstellunsgkraft durch vorfabrizierte Bilder, und Comics gelten immer noch vielen Leuten als minderwertige Lektüre. Hartnäckig hält sich auch die Angst, dass uns Ego-Shooter in Amokläufer verwandeln könnten. Noch ist die virtuelle Realität ein recht geschützter Bereich, doch die ersten Warnungen vor den Gefahren lassen nicht auf sich warten. Aber was ist an ihnen dran?

Jump Scares to death

Zu Tode erschreckt: Wem ist nicht kurz das Herz im Playstation-Klassiker Resident Evil stehengeblieben, als die Hunde durch die Fensterscheibe sprangen? Mit zunehmend besserer Immersion und Grafik ist es vorstellbar, dass die Schreckmomente – auch  Jump Scares genannt – jemanden irgendwann zu Tode erschrecken. Tatsächlich nehmen selbst einige ältere Hardcore-Gamer Abstand von Horrorspielen in VR. Wenn es den ersten Todesfall irgendwann mal geben sollte, dann dürfte die VR-Szene ein Problem bekommen und die Medien das Thema ausschlachten.
Cyberhand

I believe I can fly

Kennt man ja aus Träumen: Man macht etwas, was in der Realität nicht funktioniert. Fliegen zum Beispiel. Während es in der virtuellen Welt einfach ist, den Supermann zu spielen, wird das in absehbarer Zeit nach wie vor nicht funktionieren. Leichte Übergangsprobleme zwischen der virtuellen und realen Welt lassen sich bereits bei der bestehenden Technik feststellen. Folgerichtig gibt es bereits jetzt die Empfehlung, nach dem Ausflug in die virtuelle Welt etwas zu Warten, bevor man ein echtes Auto steuert. Mit der Verwischung der Grenze zwischen Realität und virtueller Welt könnte es manchen Menschen schwer fallen, umzuschalten und zu unterscheiden – mit möglicherweise verheerenden Folgen. Ganz ausschließen lässt sich das Szenario zwar nicht, aber dass Menschen in Zukunft beispielsweise in Massen in den Tod springen, darf man bezweifeln. Wichtig ist dabei, dass sich Menschen erst an neue Medien gewöhnen müssen. Die gute Nachricht: das geht ziemlich schnell.

Red Planet SF

I don’t want to life on this planet anymore

Man kann die Uhr danach stellen: überall Süchtige in VR. Es passt dazu, was ich in der Einleitung geschrieben habe. Dem Vorwurf, dass Menschen aus der realen Welt in eine Scheinwelt flüchten, sahen und sehen sich teilweise noch beispielsweise auch Buch, Computerspiele und Film ausgesetzt. Wie fast jedes neue Medium. Aber Scheinwelten lauern überall und die Schlimmsten sind im Grunde jene, die uns vorgaukeln, sie bildeten die Realität ab.

Bisher sind die Erfahrungen und die Verweildauer in VR oft kurz. Für das vollständige Abtauchen in virtuelle Welten bieten sich aber beispielsweise Weiterentwicklungen bestehender Konzepte an: Für etliche Spieler war und ist World of Warcraft ein virtueller Lebensraum. VR könnte Metaverse-Konzepten zum Durchbruch verhelfen und Spieler dauerhafter in eine künstliche Realität ziehen.

Durch die größere Immersion kommt ein Effekt zum Tragen, der schon jetzt eine Rolle spielt. Nach ersten VR-Erfahrungen kann die Wirklichkeit weniger attraktiv erscheinen, Farben und Kontraste weniger stark, die Grafik der Realität einfach nicht so toll wie die der künstlichen Welten. Das gleiche Gefühl kann zwar prinzipiell beim Film ebenfalls entstehen, aber VR potenziert es. Und das, obwohl die Technik erst am Anfang steht. Es wird sicher Menschen geben, die lieber in der virtuellen Welt leben werden. Ob das quantitativ und/oder qualitativ tatsächlich ein größere Problem sein wird als heute, sei dahingestellt.
Cybersex Porno in VR

Das Ende des Sex, wie wir ihn kennen

Etwas überrascht war ich schon, als wir im Mai meldeten, dass User sich auf einer der großen Porno-Webseiten 500.000 VR-Videos am Tag reinziehen. Im Schnitt schauen sich die Konsumenten zwei Filme an, womit immerhin 250.000 Menschen pro Tag auf nur einer Plattform die sexuellen Animierfilme verwenden. Wenn man bedenkt, dass die Branche noch am Anfang steht, dann wird klar, dass Pornos im Cyberspace ein großes Wachstum vor sich haben. Mit leichteren Brillen, besserer Grafik, interaktiven Inhalten, Finger-Tracking (und wer weiß, was noch alles getrackt werden wird), der Übertragung des eigenen Ichs als Avatar in die virtuelle Kuschelkiste, der möglichen Befriedigung jedes sexuellen Fetisches in realistischer Grafik oder hautähnlichem Haptik-Feedback: Stirbt der echte Sex dann aus?

Allerdings sehen manche Forscher auch Chancen in der virtuellen Sexwelt, wenn sie die Pornopfade verlässt: Zum Beispiel könnte die Möglichkeit, in die Rolle des anderen Geschlechtes zu schlüpfen, die Empathie fördern. Oder Ängste beim Ansprechen abbauen. Tatsächlich wird VR für Therapien erforscht und genutzt, um beispielsweise Höhenangst und Arachnophobie (Angst vor Spinnen) zu bekämpfen. Bei geeigneten Inhalten könnte also VR beim Thema rund um Sex positive Auswirkungen haben können.
Ray Kurzweil und die künstliche Intelligenz

Single sucht virtuellen Single für Singularität

Ray Kurzweil, Forscher bei Google, hat den Termin für die Singularität gerade etwas nach hinten verschoben. Das heißt aber nicht, dass sie nicht kommt. Es wird den Punkt geben, an dem künstliche Intelligenz schlauer sein werden als Menschen. Ab diesem Zeitpunkt potenziert sich die Entwicklung und wir werden mit menschlich wirkenden AIs umgehen. Wenn man sich den Erfolg von noch ziemlich rudimentären Titeln wie Summer Lessons für die PlayStation VR (PSVR) anschaut, dann ist es vorstellbar, dass der Run auf virtuelle Freundinnen und Freunde noch größer wird. Die künstlichen Wesen werden uns durch den Alltag begleiten, sich mit uns unterhalten, herumalbern und philosophische Fragen beantworten. Und natürlich auch flirten.

Wahrscheinlich sind AR-Systeme wie die HoloLens noch geeigneter für diesen Anwendungszweck  als VR-Helme. Hobby-Psychologen werden das Ende der Beziehungsfähigkeit mit echten Menschen prognostizieren, wenn sie es nicht jetzt schon tun. Es wäre ja viel einfacher, mit einem unkomplizierten und immer willigen künstlichen Gegenüber zusammen zu leben. Wie schon beim Thema Sex bemerkt, könnte VR/AR aber sogar das Gegenteil ermöglichen und die virtuelle Begleitung den Anwender für Aspekte des Zusammenlebens sensibilisieren. 
Oculus Avatar

Cybermobbing und Übergriffe

Das Thema ist nicht lustig und schon im normalen Netzverkehr ein Problem. Es ist kaum anzunehmen, dass manche Menschen ihre Abgründe in VR nicht ausleben werden. Durch die Immersion werden Angriffe auf die eigene Person intensiver und verletzender wahrgenommen, was dem willentlichen Angreifer ein erhöhtes Machtgefühl gibt. Mit echten Abbildungen von uns im virtuellen Raum verschärft sich das Problem noch, erhöht aber wohl die Hemmschwelle für den Angreifer. Das wissen Entwickler, die Social-Apps für VR anbieten oder programmieren. RecRoom führte beispielsweise eine Stoppgeste ein, mit der sich aufdringliche und/oder beleidigende User sperren lassen.

Ausblick

Die Gefahren von VR und AR unterscheiden sich grundsätzlich kaum von denen bisheriger Medien. Viele alte und bekannte Kritiken tauchen wieder auf. Wir befinden uns bei dem Thema der virtuellen Realität erst am Anfang damit, ein neues Medium zu lernen: Aber bereits jetzt werden neben den Gefahren auch viele positive Aspekte benannt, beispielsweise bei der Überwindung von Phobien. Das lässt hoffen, dass die Kritiken an dem jüngsten Medium trotz des Konfliktpotenzials auch in Zukunft differenziert ausfallen und die positiven Möglichkeiten im Blickfeld bleiben.

(Bilder: Oculus (7), Resident Evil 7 (2), Marcel (Rest))

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